Dr. Johanna Rachinger

Generaldirektorin Österreichische Nationalbibliothek

Der erste weibliche Chef der ÖNB ist Herrin über fast sieben Millionen Sammlungsobjekte und mehr als 300 Mitarbeiter. Rachinger kam aus dem Verlagsgeschäft und ist eine der profiliertesten Kulturmanagerinnen Österreichs. Sie spricht über die Herausforderung, eine der größten Bibliotheken der Welt zu führen, über Frauen in Führungspositionen und vieles mehr.

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Sie wollte eigentlich Wirtin werden (die Eltern hatten ein Gasthaus), aber es wurde das Buch, das das Leben von Johanna Rachinger bestimmte. Zunächst im Verlagsgeschäft, dann als Leiterin einer der größten Büchersammlungen der Welt, der Österreichischen Nationalbibliothek. Die geborene Oberösterreicherin, die an der Universität Wien ein Doktorat in Germanistik und Theaterwissenschaft erwarb, wollte das Literarische und das Kaufmännische beruflich vereinen und begann diesen Weg als Lektorin beim Wiener Frauenverlag. Es folgten Jahre bei Carl Ueberreuther, wo sie mit 35 – was damals für eine Frau alles andere als selbstverständlich war – Geschäftsführerin wurde. Als die Regierung eine neue Führung für die in die „Vollrechtsfähigkeit“ entlassene, also mit wirtschaftlicher Eigenverantwortung ausgestattete Nationalbibliothek suchte, war die kulturell-kommerzielle Doppel-Kompetenz von Johanna Rachinger das ideale Profil.
„Es hat mir immer großen Spaß gemacht, in Unternehmen Organisationsprozesse zu verbessern und strategische Ziele umzusetzen“, sagt Johanna Rachinger. Ohne die Ausgliederung, die „ein großes Maß an Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit“ brachte, hätte sie die ÖNB „nicht übernommen“. Seit 2001 wurden Sponsoring und Eigenfinanzierung vervielfacht, die Attraktivität der Bibliothek für das wissenschaftliche und touristische Publikum massiv erhöht und vieles modernisiert. Heute managt Frau Generaldirektor Rachinger in den Prachträumen der Hofburg am Wiener Heldenplatz 340 Mitarbeiter, die 3,4 Millionen Druckwerke verwalten, 2,6 Millionen Bilder, hunderttausende Handschriften, Flugschriften, Plakate, Inkunabeln, Globen und Papyrus-Blätter. In Summe sind es 7,6 Millionen Objekte, das Gedächtnis Österreichs, das jährlich eine halbe Million Nutzer und Besucher anzieht. „Unsere Sammlungen sind ein nationales Kulturerbe, das Identität stiftet und uns alle verpflichtet“, sagte Rachinger in ihrer Festrede zum 90. Jahrestag der Republiksgründung.
Was der leidenschaftlichen Leserin und Ö1-Hörerin, die sich bei langen Spaziergängen erholt, besonders am Herzen liegt, ist Gleichberechtigung. „Frauen in Führungspositionen haben die Verantwortung, Frauen zu fördern“, sagt sie, denn „Frauen müssen immer noch mehr Leistung erbringen als Männer, um für eine Führungsposition in Frage zu kommen“. In ihrem Haus gibt es jedenfalls keine gläsernen Decken mehr.
Johanna Rachinger hat auch hohen „Buchwert“ als Fachautorin zum Bibliothekswesen, zur Informationswissenschaft, zu Strategien und Perspektiven digitaler Medien und zu Kulturmanagement und Kulturpolitik. Sie ist Vize-Vorsitzende des Österreichischen Wissenschaftsrates und Mitglied des Senats der Akademie der Wissenschaften. Und sie ist „tatkräftig, mit einer gewaltig positiven Aura, sehr engagiert und auch frauen-bewegt“, wie die „Business & Professional Women Austria“ so schön sagen.

Themengebiete

Ethik und Gesellschaft, Kultur, Medien/Kommunikation, Wissenschaft und Zukunft

Sprachen

Deutsch, Englisch

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